Von Dietrich Köther
Die 100-Jahr-Feier des MTV hinterließ einen nachhaltigen Eindruck bei der Vorsfelder Bevölkerung. Zahlreiche Eintritte waren das erfreuliche Ergebnis. Als Folge der Stadtentwicklung mit ihrem Wohnungsbau wuchs die Einwohnerzahl. Lebten 1950 in Vorsfelde noch 4099 Personen, so erhöhte sich die Zahl bis 1970 auf über 11 000.(56) Dieser Trend wirkte sich positiv auf den Verein aus. Neubürger brachten ihre Sportwünsche mit. Der Weg in das zweite Jahrhundert war begleitet von zahlreichen Spartengründungen, die nun fast ein Eigenleben entwickelten. Sie bildeten sozusagen einen Verein im Verein, zusammengehalten durch Vorstand, Vollversammlung und gemeinsame gesellige Veranstaltungen wie Winterfest und Braunkohlwanderung. Der ursprüngliche traditionelle Verein wurde zur Dachorganisation der einzelnen Sparten. Mit einem hohen Anteil an aktiven Mitgliedern war der Wunsch nach Erweiterung des Spartenangebots verständlich.

1963 beklagte die deutsche Sportgemeinschaft den Tod ihres großen Förderers Carl Diem. Mit einer Gedenkminute während der Hauptversammlung gedachte der MTV des Ablebens dieses verdienten Sportfunktionärs und unterstrich, dass sein Wirken in der Turnbewegung weiterleben werde. Das Jubiläumsfest bescherte dem Verein keine finanziellen Einbußen, sodass die vierteljährlichen Beiträge mit 3,50 DM für Erwachsene, 2,50 DM für Jugendliche und 2,00 DM für Kinder konstant bleiben konnten. Auch kinderreichen und wirtschaftlich schwachen Familien war die Mitgliedschaft möglich. „Die Teilnahme am Deutschen Turnfest in Essen soll mit 20 Personen angestrebt werden.“ Für diese Reise bewilligte der Vorstand einen Zuschuss von 500,00 DM. Seit 1953 fanden die vom Deutschen Turnerbund organisierten Turnfeste in einem Fünfjahresrhythmus statt. Das eigentliche Geräteturnen trat mehr und mehr in den Hintergrund. Dem Erfolg ging ein langes und mühsames Üben voraus. Ältere Turner bekamen Schwierigkeiten, die gewünschten Leistungen zu erbringen. Doch auf Bewegung wollten die Turner nicht verzichten. So kam es zur Gründung der Jedermannsparte unter der Leitung von Fritz Feldtmann. Nach einer gymnastischen Aufwärmphase folgten Ballspiele. In dieser Sparte konnte jeder aktiv werden, der Bewegung und leichte turnerische Tätigkeit suchte. Mit Tischtennis folgte eine weitere Sparte, deren Leiter für mehr als 37 Jahre Siegfried Schneider war. Eine Freizeitbeschäftigung entwickelte sich zum Leistungssport. Seine Verbundenheit mit dem Verein unterstrich Siegfried Schneider dadurch, dass er gleich nach der Geburt seiner Tochter diese beim MTV anmeldete, wohl wissend, dass eine Betreuung erst mit vier Jahren durch das Mutter und Kind-Turnen stattfinden konnte. Mit der frühen Anmeldung betrat er Neuland. Die Ausweisung neuer Wohngebiete in Vorsfelde führte zu einem weiteren Bevölkerungszuwachs. Hiermit verbunden war ein sprunghafter Anstieg der Schülerzahlen. Als erster Neubau wurde die Moorkämpeschule mit angegliederter Turnhalle errichtet. Die bauliche Erweiterung der Vorsfelder Nordstadt erforderte einen Ausbau der schulischen Infrastruktur und brachte die Neugründung der Grundschule Heidgarten, die 1966 bezugsfertig wurde. (57)

Durch die dortige Gymnastikhalle boten sich dem MTV weitere Nutzungsmöglichkeiten. Ende 1964 begann die Errichtung des Schulzentrums im Eichholz. Die Bauzeit dauerte fast zehn Jahre. Die beiden Turnhallen des großzügigen Objektes ermöglichten Hallenhandball, Volleyball, Basketball und sogar Tennis. Der Wunsch nach einem Lehrschwimmbecken erfüllte sich leider nicht. Die Schwimmer des MTV nutzten das Hallenbad im Wolfsburger Schachtweg. Besonders Familien machten am Sonntagvormittag von dem Angebot gern Gebrauch. Zwar war das Interesse an sportlicher Betätigung groß, doch beteiligten sich nur wenige Mitglieder an den Regularien. So beklagte sich der Vorstand bei der Hauptversammlung 1965 darüber, dass nur 21 stimmberechtigte Mitglieder anwesend waren. Erstmals übertraf der weibliche Anteil im Verein den männlichen. Der Vorstand bemühte sich stets, seine Übungsleiter zu fördern, und schickte sie deshalb zu den Lehrgängen der Landessportschule nach Melle. Die Bedeutung des MTV über die Stadtgrenzen hinaus dokumentierte der Besuch des Vorsitzenden des Turngaus, des Gauturnwartes und des Gauoberturnwartes auf der Jahreshauptversammlung 1966. Noch im selben Jahr hatte der Verein den Tod seines langjährigen Vorsitzenden und Förderers, Rudolf Behrens, zu beklagen. Von 1923 bis 1939 hatte er in schweren Zeiten als Vorsitzender die Geschicke des Vereins geleitet. Für die MTV-Mitglieder gestalteten sich die Sportveranstaltungen der näheren Umgebung überaus erfolgreich. Beim Elmturnfest, welches sich 1966 zum 100. Male jährte, beim Bezirksturnfest in Helmstedt und beim Altersturnen in Warberg konnten Erfolge erzielt werden. Mit 93 Personen stellte der Verein beim Elmturnfest die größte Teilnehmerzahl. Auch für Freizeitveranstaltungen wurde gesorgt. So nahm eine Jugendgruppe am Ferienlager des Niedersächsischen Turnerbundes auf Baltrum teil. Das Abwerben von Mitgliedern durch benachbarte Großvereine gab Anlass zu Besorgnis. Besonders Leistungsträger in den einzelnen Sparten konnten durch die dortigen besseren Trainingsbedingungen zum Übertritt bewogen werden. Neben Turnen und Leichtathletik zählte der Verein 1970 mit Jedermannturnen, Gymnastik, Tischtennis und Wintersport sechs Sparten. Da sich die Sportabzeichenabnehmer als eigene Sparte verstanden, musste auch sie hinzugerechnet werden. Die Tätigkeiten der Volkstanzgruppe ruhten zu dieser Zeit.

Um die Öffentlichkeit durch die örtliche Presse schneller zu informieren, sollten die Spartenleiter ihre Berichte direkt an die Redaktionen schicken. Nur wenn die Artikel über die Kompetenz der Sparten hinausgingen, erfolgte die Information durch den Vorstand. Die Stelle des Pressewarts erübrigte sich. Die Punktspielrunden der Handballer und Tischtennisspieler erforderten die Anschaffung eines Busses. Die Folge war eine Erhöhung der Beiträge. Familiäre Härtefälle fanden stets Berücksichtigung, um niemanden von einer Mitgliedschaft auszuschließen. Große Gruppen bei den Turnmädchen und Turnjungen waren das erfreuliche Resultat. Unter den älteren Jugendlichen fanden sich fortgeschrittene Turner und Turnerinnen, welche die Übungsleiter tatkräftig unterstützten. Bei viel Idealismus und turnerischem Können blieben die Erfolge nicht aus. Im Spätherbst 1971 konnte das neue Freizeitheim in unmittelbarer Nachbarschaft des Drömlingstadions unter Mithilfe des MTV eingeweiht werden. Viele Vorsfelder Vereine aus den Senioren-, Jugend- und Sportbereichen fanden hier eine ständige Bleibe. Auch der Männerturnverein hatte dort nicht nur sein ständiges Büro, sondern bekam auch die Möglichkeit, seine sportlichen Tätigkeiten auszuweiten. Der Vorstand dankte bei seiner nächsten Hauptversammlung der Stadt Vorsfelde für die Fertigstellung des Heimes. Hatte er vorher seine Versammlungen in immer wechselnden Lokalen abgehalten, so war nun das Freizeitheim der ständige Treffpunkt größerer Zusammenkünfte.

Inzwischen nahm die zeitliche Beanspruchung der Übungsleiter, des Vorstandes und der Spartenleiter immer weiter zu, sodass nicht mehr nur ehrenamtlich gearbeitet werden konnte. Eine Vergütung war nun notwendig und zeitgemäß. Die Arbeiten der Schrift- und Rechnungsführer wurden zunehmend umfangreicher und konnten von nur einer Person nicht mehr bewältigt werden. Ihnen wurde jeweils ein Vertreter zur Seite gestellt, der einen Teil des Arbeitspensums übernahm. Diese Maßnahmen machten eine Änderung der Satzung vom 27. April 1968 erforderlich. Seit der Gründung des Vereins fand die Wahl des Vorstandes jährlich statt. Nun beschloss man, die Vorstandswahl alle zwei Jahre durchzuführen. Eine unbegrenzte Wiederwahl war jetzt möglich. Durch den zweiten Vorsitzenden waren die Spartenleiter im Vorstand vertreten. Der Oberturnwart trug den Namen Turn- und Sportwart. Er war den Spartenleitern gleichgestellt. Die Änderungen fanden die Zustimmung aller anwesenden Vereinsmitglieder. 1974 hatte der MTV mehr als 1000 Mitglieder und zählte nun zu den Großvereinen. Noch im selben Jahr musste eine außerordentliche Hauptversammlung durchgeführt werden, die sich ausschließlich mit einer Beitragserhöhung befasste. Zwei Jahre zuvor war Vorsfelde durch eine große Gebietsreform ein Ortsteil Wolfsburgs geworden. Von der Sportförderung der Volkswagenstadt profitierte auch der MTV. Wollte er jedoch Zuschüsse erhalten, musste er seine Beiträge denen der anderen Großvereine anpassen. Nach den Richtlinien sollte der Beitrag für Erwachsene monatlich mindestens 3,50 DM betragen. Die Unterstützung durch die Stadt Wolfsburg war nicht unerheblich. So betrug sie bei den Übungsleitern 50 % der Ausgaben, während der Zuschuss für die Hallennutzung sogar bei dem vollen Betrag lag. Die Versammlung beschloss die Erhöhung auf 5,00 DM für Erwachsene ab 18 Jahren. Familien unterlagen je nach Anzahl ihrer Mitglieder einer besonderen Beitragsstaffelung. Die Übungsleitervergütung bewegte sich auf allgemeinem Stadtniveau. Nach 25-jähriger Vereinsführung trat Franz Bachmann aus Altersgründen zurück. Zusammen mit Karl Schubert, der seit 1952 das Amt des Schriftführers bekleidete, wurde er zum Ehrenmitglied ernannt. Beide hatten sich während ihrer Amtszeit große Verdienste erworben und viel Freizeit zum Wohle des Vereins geopfert. In der schweren Nachkriegszeit wirkten sie als Integrationsfiguren, die aus Einheimischen, Flüchtlingen und Vertriebenen einen homogenen Verein formten. Am 11. April 1975 wählten die anwesenden Mitglieder der Hauptversammlung Ernst Streeck zum Vorsitzenden, der bis 1984 die Geschicke des Vereins leitete. In seiner Ansprache wünschte er einige Änderungen in der Vereinsführung. So sollten monatliche Spartenleitersitzungen abgehalten und die Spartenleiter mehr in die Vorstandsarbeit eingebunden werden. Hierdurch erreichten die Vorstandsbeschlüsse eine breitere Basis. Die Benutzung des vereinseigenen Busses unterlag der Verantwortung eines Obmannes, der gewährleisten sollte, dass der Bus allen Sparten zugute kam. Das Jahr war ausgefüllt von Großereignissen.

Ein Schauturnen in der Großhalle im Eichholz machte auf die Leistungen des MTV aufmerksam. An dieser nachmittäglichen Darstellung des Vereins beteiligten sich alle Sparten. Selbst die jüngsten Mädchen zwischen drei und sechs Jahren zeigten unter Leitung von Ilse Stroka ihr turnerisches Können. Das Nonstop-Programm umfasste alle Altersgruppen. Es war auch die Zeit der Volksläufe. Mehr als 700 Teilnehmer aus dem gesamten Bundesgebiet hatten in den vergangenen Jahren an den gut organisierten Vorsfelder Veranstaltungen teilgenommen. Der Höhepunkt war das vom Verein ausgerichtete Gaukinderturnfest mit rund 1300 teilnehmenden Kindern. Viele ehrenamtliche Helfer sorgten für einen reibungslosen Ablauf und bestätigten den guten Ruf des hiesigen Männerturnvereins als Organisator. Unter Leitung Karl Schuberts reisten 50 Mitglieder zum Landesturnfest nach Emden. Viele Vereine aus dem Stadtgebiet und den umliegenden Kreisen beteiligten sich am Drömlingsportfest jenes Jahres und bewiesen, dass dieses jährlich stattfindende Ereignis zu den wichtigsten sportlichen Veranstaltungen Vorsfeldes und Umgebung gehörte. Der Stadtsportbund betrachtete mit Sorge den Trend eines Teiles der Wolfsburger Bevölkerung, ihre sportliche Betätigung außerhalb der Vereine zu suchen. Er bat die Vorstände der Sportvereine, dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Vergleicht man den Bevölkerungszuwachs des Ortsteils Vorsfelde mit dem der Gesamtstadt, so zeigt sich, dass die steigende Mitgliederzahl des MTV nicht proportional der Stadtentwicklung verlief, sondern eine viel steilere Kurve aufwies.

Mit einer großen Besonderheit konnte der MTV im Jahr 1972 aufwarten: Am Tag der Jahreshauptversammlung, dem 29. Januar, kam vormittags die kleine Nicole zur Welt, Tochter des heutigen Ehrenratsmitglieds Siegfried Schneider, zuvor langjähriger Spartenleiter Tischtennis: „Ich bin dann zum Vorstand, der gerade bei Geismar die Sitzung vorbereitete, und habe einen Zettel mit der Anmeldung für meine Tochter auf den Tisch gelegt.“ Nach kurzer Überlegung, bis dato konnten Kinder erst im Alter von vier Jahren angemeldet werden, stimmte der Vorstand zu, Nicole Schneider – die im Jubiläumsjahr 2012 ihren 40. Geburtstag feiert – wurde das jüngste aller MTV-Mitglieder.

Von 1972 bis 1977 konnte der Verein 354 neue Mitglieder begrüßen. Die Zeichen der Zeit wurden erkannt und Freizeitgewohnheiten der Bevölkerung in die Vereinstätigkeit eingebunden. Mit Ilse Stroka, Manfred Adolf und Dieter Dömland erwarben weitere Mitglieder in der Landesturnschule in Melle ihre Lizenz als Übungsleiter. Durch ihre 60-jährige Vereinszugehörigkeit und für ihre früheren Verdienste als aktive Turner erklärte die Hauptversammlung Karl und Rudolf Oelmann zu Ehrenmitgliedern. Elisabeth Feldtmann, Lotte Rieke und Sigrid Pflug erhielten für ihre Leistungen im Turnsport die Ehrennadel des Deutschen Turnerbundes. Die Größe des Vereins und seine Auffächerung in Sparten spiegelte sich wider in der Wahl von 49 Turnern, welche die Funktionen von Spartenleitern, deren Stellvertretern und weiteren Posten ausfüllen mussten. Mit „Trimm dich durch Tanz“ wurde eine neue Sparte aus der Taufe gehoben. „Hoffentlich hält die Begeisterung an“, vermerkte der damalige Schriftführer in seinem Protokoll. War anfangs daran gedacht worden, durch rhythmische Bewegung Fitness zu erlangen, so entwickelte die Tanzsparte eine große Eigendynamik und näherte sich dem leistungsorientierten Sport.

Prinzessin – seit Jahrzehnten können sich die Jungs und Mädchen auf eine riesige Party freuen.
Wie stark 1978 das Drömlingsportfest im Vereinskalender verankert war und welches Ansehen dieses Ereignis im Ortsteil Vorsfelde genoss, zeigte der Besuch von Oberbürgermeister Nolting und Ortsbürgermeister Klapprott mit Vertretern des Ortsrates bei der Veranstaltung. Der MTV als Verein des Ortsteils Vorsfelde beteiligte sich an der 40-Jahrfeier der Kernstadt. Mit einem geschmückten Festwagen nahm er an dem Umzug teil. Die Gymnastikdamen zeigten ihr Können bei einer Gemeinschaftsvorführung im VfL-Stadion. Bei der Einweihung der nun endgültig fertiggestellten Sportstätten des Schulzentrums im Eichholz und der Heidgartenschule war der MTV maßgeblich beteiligt. Der Vorstand dankte allen ehrenamtlichen Helfern mit einer Einladung zu einem gemütlichen Beisammensein. Die Eingemeindung Vorsfeldes hatte für die ehemals selbstständige Stadt nicht nur Vorteile. Die Übernahme des Freizeitheimes am Drömlingstadion durch das Stadtjugendamt brachte auch Vereinen der übrigen Stadtgebiete Nutzungsrechte. Wenn auch Vorsfelder Vereine manche Prioritäten genossen, so war doch die Nutzung der Räumlichkeiten für den MTV eingeschränkt. Bei wachsender Mitgliedszahl hatte die Suche nach günstigen Lösungen Vorrang. Erst mehrere Jahre nach der Gebietsreform kam es zur Gründung des neuen Turnkreises Wolfsburg, dessen Leitung das MTV-Mitglied Fritz Feldtmann übernahm. Die sporadischen Überprüfungen des Kassenbestandes durch das Finanzamt Gifhorn gaben nie zu Beanstandungen Anlass und zeigten die gewissenhafte Arbeit des Vorstandes. Die schnelllebige Zeit stützt sich gern auf Traditionen, blickt aber gleichzeitig nach vorn. So tat es auch der MTV. Ständige notwendige Änderungen der Satzung gaben dem Verein eine moderne Gestalt. Musste sich in den vergangenen Jahren der Vorstand über mangelnden Besuch bei den Hauptversammlungen beklagen, so gestaltete sich die Beteiligung der Mitglieder im letzten Jahr recht erfreulich. 1980 beantragte die Handballsparte, die schon manchmal für leichte Unstimmigkeiten sorgte, dass bei Gesprächen des geschäftsführenden Vorstandes eine Person der Sparte anwesend sein sollte. Unter Hinweis auf die Satzung wurde der Antrag abgelehnt. Außerdem würde die Sonderbehandlung einer einzelnen Sparte nur Unruhe im Gesamtverein hervorrufen. Den Gedanken an eine Trennung verwarfen die Handballer aber schnell. Die Zeit der Volksläufe schien vorbei zu sein. Die Beteiligung ließ nach und der Verein zog in Erwägung, in Zukunft keine Läufe mehr durchzuführen. Interne gesellige Veranstaltungen erfreuten sich dagegen wachsender Beliebtheit. So fand die alljährliche Braunkohlwanderung großen Zuspruch. Die erstmals durchgeführte Kaffeetafel für Senioren während des Drömlingsportfestes fand großen Anklang und sollte in den kommenden Jahren wiederholt werden. Volkstanz wurde wieder interessant. Allerdings waren es nur Mädchen, welche für eine Wiedereinführung verantwortlich waren.

Trotz weiterer Übungsleiterausbildung herrschte nach wie vor ein Mangel an Betreuern, besonders im Kinder- und Jugendbereich. Da der Verein durch Kinderturnfeste mit Zeltlager und Lagerfeuer und für die Jugendlichen mit einer Disco im Heim am Drömlingstadion Freizeitgestaltung bot, bedurfte es einer größeren Anzahl von Betreuern. Die Umstellung auf EDV machte die mühsame Beitragseinsammlung durch Hausbesuche endlich überflüssig. Die Beiträge konnten nun durch Einzugsverfahren beglichen werden. Für ihre Verdienste wurden Erich Pflug und Gertrud Oelmann zu Ehrenmitgliedern ernannt. Nicht mehr die Hauptversammlung, sondern die Sparten selbst wählten unter Beisein eines Vorstandsmitgliedes ihre Spartenleiter. (58) Durch Änderung der Satzung hieß der Vereinsrat nun Ehrenrat. Die Mitgliedschaft in diesem Gremium bestimmte weiterhin der §18 der Satzung von 1968. Im September 1980 wurde vom Vorstand und Ehrenrat ein Vereinsrat berufen, der sich aus Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und der Wirtschaft zusammensetzte. Dieser sollte den Verein mit Rat und Tat unterstützen. Eine Mitgliedschaft war nicht unbedingt erforderlich. Ein erstes gemeinsames Gespräch fand am 5. Februar 1981 statt, an dem Vorstand und Ehrenrat ihre Wünsche und Erwartungen vortrugen. Trotz starker Fluktuation stagnierte der Mitgliederzuwachs nicht, sondern stieg an. Die Folge war Raummangel. Zur Lösung dieses Problems führte der Vorstand mit dem Ortsrat und dem SSV Vorsfelde ein Gespräch über den Bau eines gemeinsamen Funktionsgebäudes. Mit Kerstin Bahlke beschäftigte der MTV erstmals eine hauptamtliche Sportlehrerin, die für das Kinder- und Jugendturnen verantwortlich war.

Der schon seit Jahren bestehende gute Kontakt zu den örtlichen Vereinen sollte vertieft werden. So entsandte der Großverein MTV kleinere Gruppen zu den Veranstaltungen der Vereine SSV Vorsfelde, SSV Neuhaus, Gemischter Chor und Kleingartenverein Behrendorfer Wiesen. Mit der Kyffhäuser Kameradschaft bestand schon seit mehr als hundert Jahren eine engere Zusammenarbeit. Die gute finanzielle Lage ermöglichte größere Anschaffungen. Zur Durchführung der auswärtigen Punktspiele der Handball- und Tischtennissparte war die Anschaffung eines zweiten Busses erforderlich. Ein weiteres Zelt und eine Lautsprecheranlage verbesserten die Ausrichtung des Drömlingsportfestes. Das 120-jährige Bestehen eines Vereins erforderte laut Protokoll nicht unbedingt eine Jubiläumsfeier. Aber der MTV hielt es trotzdem für notwendig, mit einer Sport- und Festwoche auf sich aufmerksam zu machen. Eine Feier war als Generalprobe zum 125-jährigen Jubiläum gedacht. Festumzug und Fahnen weihe sollten dem späteren Fest vorbehalten bleiben. Die Veranstaltung vom 28. August 1982 bis zum 5. September 1982 band alle Sparten ein, die sich mit Vorführungen in der Öffentlichkeit präsentieren konnten. 15 Sparten hatten Gelegenheit, ihr Können zu zeigen. Das Programm bot viele gesellige Stunden. Die Vorsfelder Bevölkerung nahm das Angebot dankend an und feierte mit den Vereinsmitgliedern. Von der hiesigen Geschäftswelt unterstützt, war die Festwoche ein großer Erfolg. Im Jubiläumsjahr konnte der Verein 127 neue Mitglieder begrüßen. Auch zwei Spartengründungen fielen in diese Zeit. Badminton fand unter den jugendlichen Sportlern regen Zuspruch. Dem Trend der Zeit folgend, hielt auch Aerobic Eingang in den Verein. Die Sparte entwickelte sich schnell und zählte bald mehr als 100 Mitglieder. Die Entlassung der hauptamtlichen Sportlehrerin aus finanziellen Gründen brachte Unruhe in die Gymnastiksparte. Die Damen der Gruppe führten eine von Emotionen getragene Diskussion. Der Hinweis mehrerer Mitglieder, dass der Vorstand dem Gesamtwohl des Vereins Priorität geben müsse, trug kaum zur Beruhigung bei, sondern führte noch am Tage der Hauptversammlung zu einigen Austritten.(59) Einige Turner des Vereins nahmen am Deutschen Turnfest in Frankfurt/ Main teil, welches vom 26. Juni bis zum 3. Juli 1983 stattfand.

Die Totenehrung 1984 galt besonders dem langjährigen Ehrenvorsitzenden Franz Bachmann, der in zwei Perioden mit großer Umsicht dreißig Jahre die Geschicke des Vereins gelenkt hatte. Mit Bernd-Rüdiger Obst als neuem ersten Vorsitzenden an der Spitze wurde der gesamte Vorstand en bloc mit 90 Ja- und 16 Nein-Stimmen sowie zwei Enthaltungen gewählt. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass die Nein-Stimmen aufgrund einer ungenauen Wahlführung abgegeben worden waren. Bei der notwendigen Wiederholungswahl bekam der Vorstand das Vertrauen aller Anwesenden. Die Sparten verabschiedeten den scheidenden ersten Vorsitzenden Ernst Streeck mit einem Geschenk. Gleichzeitig erhielt er für seine Verdienste die Ehrennadel des Deutschen Turnerbundes. In seiner Ansprache betonte Bernd-Rüdiger Obst die bisher geübte Meinungsfreiheit im Verein als weiterhin wünschenswert und hob die gesellschaftlichen Aufgaben des Sportes hervor. Die einzelnen Sparten sollten sich wie bisher selbst verwalten, aber untereinander offen sein. Ein Vertreter der Jugend mit beratender Stimme im Vorstand wäre sinnvoll. Die wachsenden Aufgaben in einem Großverein machten eine Satzungsänderung notwendig. Die Stelle eines dritten Vorsitzenden musste eingerichtet werden. Die Stadt Wolfsburg erwartete, dass der Mindestbetrag für Erwachsene monatlich 8,00 DM zu betragen habe, um den Vereinen weiterhin Zuschüsse zu gewähren.

Der Turn- und Sportwart schlug vor, in Zukunft alljährlich den besten Sportler, die beste Sportlerin und die erfolgreichste Mannschaft zu ehren. Die Versammlung nahm die Anregung beifällig auf, und ein Gremium sollte zukünftig die verdienten Sportler wählen. Die Spartenberichte standen allen Mitgliedern durch die Vereinszeitung zur Verfügung. Eine Fleißarbeit des Vorstandes ergab, dass 1985 durch ehrenamtliche Tätigkeit von Vorstandsmitgliedern, Helfern und Übungsleitern 15 000 Stunden erbracht worden waren. Ein großes Ereignis stand noch bevor.
1987 sollte das 125-jährige Jubiläum in repräsentativer Weise gefeiert werden. Wie schon fünf Jahre zuvor wollte sich der Verein mit einer Festwoche der Bevölkerung vorstellen. Der MTV zeigte nicht nur einen Querschnitt durch seine sportlichen Aktivitäten, sondern betonte in seinem Programm, dass auch Geselligkeit einen hohen Stellenwert hatte. Der Samstag begann mit einem Festakt. Es gelang dem Vorstand, für die Festansprache Professor Dr. Steinbach zu gewinnen. Bei der Einweihung des Drömlingstadions 1958 hatte dieser mit sportlichen Leistungen geglänzt. In seiner Rede betonte er, dass die Zukunft der Vereine nicht allein bei der Jugend läge, sondern auch ein umfangreiches Angebot für Erwachsene notwendig wäre. Kranke und Rekonvaleszente dürften nicht vergessen werden. „Das Vereinsjubiläum ist ein Höhepunkt in der Geschichte Vorsfeldes“, betonte Ortsbürgermeister Klapprott. Bernd-Rüdiger Obst als Vereinsvorsitzender wies ausdrücklich darauf hin, dass der MTV trotz seiner Spartenvielfalt nach wie vor fest in der Turnerbewegung verwurzelt sei. Der Höhepunkt der Feier war die Verleihung des „Walter-Kolb-Schildes“ durch den Niedersächsischen Turnerbund. Das Werksorchester umrahmte den feierlichen Auftakt durch musikalische Darbietungen. Wie schon vor 75 Jahren sang der hiesige Männergesangverein „Sonntag ist’s“. Ein Festball im Schützenhaus beschloss den ersten Tag.
„Ein gigantischer Festumzug zog durch Vorsfelde“, war die Schlagzeile der Wolfsburger Nachrichten. Ein zwei Kilometer langer Festumzug mit acht Kapellen, 20 Festwagen und 1500 Teilnehmern aus 38 Vereinen bewegte sich vom Schützenhausplatz zum Drömlingstadion. Ein Umzug dieser Größe hatte es vorher noch nie in Vorsfelde gegeben. Neben sportlichen Darbietungen, die in erster Linie dem Breitensport gewidmet waren, füllten gesellige Veranstaltungen die Wochentage. Kinderprogramme, Discoabende für die Jugend, Klönschnack und Kaffeetafel für die Senioren boten für Jung und Alt Stätten der Begegnung und zeigten, dass der MTV auch für Nichtmitglieder offen war.
Eingebettet in die Festwoche fand das zweite Seniorentreffen Vorsfeldes statt, welches vom Reichsbund, der Lebensabendbewegung (LAB) und dem katholischen Altenkreis organisiert wurde. Dank der Bemühungen der Handballsparte konnte eine Damenmannschaft des VfL Oldenburg und eine Herrenmannschaft des THW Kiel für Freundschaftsspiele verpflichtet werden. Wenn auch beide Spiele verloren gingen, so hatten doch jeweils 1000 Zuschauer ihre Freude an dem schnellen Spiel. Durch ein ganztägiges Straßenfest am folgenden Samstag präsentierte sich der Verein mit allen Sparten und lud mit volkstümlichen Spielen die Bevölkerung zum Mitmachen ein. Das 40. Drömlingsportfest mit dem Eberlauf bildete den Abschluss der eindrucksvollen Festwoche zum 125-jährigen Jubiläum. Die große Anteilnahme der Vorsfelder Einwohner zeigte deren Verbundenheit mit dem MTV. Die örtliche Presse berichtete täglich von den sportlichen und gesellschaftlichen Ereignissen. 1862 von 12 turnbegeisterten und engagierten Männern gegründet, war der Verein, trotz zeitbedingt widriger Umstände, zu einem Großverein herangewachsen, der noch im Jubiläumsjahr das 2000. Mitglied begrüßen konnte.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte es nur elf Vereinsvorsitzende gegeben, die den MTV führten. Das stand sowohl für Tradition als auch für Kontinuität. Obwohl das Interesse am Sport Zeitströmungen unterworfen ist, gelang es der Vereinsführung, sich stets dem gesellschaftlichen Wandel anzupassen und das Sportangebot auf die Wünsche der Menschen auszurichten. Wenn auch manchmal Traditionalisten überzeugt werden mussten, konnten Richtungskämpfe innerhalb des Vereins vermieden werden.
(56) Geschichte Vorsfeldes, Bd. 2, S. 145
(57) Geschichte Vorsfeldes, Bd. 2, S. 168
(58) Geschichte Vorsfeldes, Bd. 2, S. 168
(59) JHV-Protokoll vom 4. März 1983