Olympia-Fünfte Scoccimarro: Eine Medaillen-Chance hat sie noch

Die Gegnerin am Kragen gepackt, Bronze vor Augen: Giovanna Scoccimarro (l.) war gegen Sanne van Dijke ganz nah an der Medaille dran, die dann aber doch an die Niederländerin ging.  © dpa

Eine Medaille knapp verpasst, aber eine Medaillenchance hat Giovanna Scoccimarro, Weltklasse-Judoka des MTV Vorsfelde, noch bei den Olympischen Spielen in Tokio. Die Lessienerin will helfen sie zu holen, aber „ein Trost wäre das nicht“ , gesteht sie. 

Eine Medaille knapp verpasst, Weltklasse-Judoka Giovanna Scoccimarro aus Lessien, die für den MTV Vorsfelde startet, war am Mittwoch nach ihrem Aus im olympischen Judo-Turnier der Frauen bis 70 Kilo mächtig geknickt.

Im Vierteltelfinale ausgerechnet gegen die Top-Favoritin und spätere Siegerin Chizuru Arai dran und nach gutem Auftritt unterlegen, das war schon schade. In der Trostrunde konnte es dadurch „nur“ noch um Bronze gehen. Doch nach gleichwertigem „Abnutzungskampf“ (Wolfsburgs Olympia-Judo-Goldgewinner Frank Wieneke) gegen die amtierende Europameisterin Sanne van Dijke blieb Scoccimarro nur Platz fünf.

Die Enttäuschung saß tief, darüber konnte auch eine bravouröse Olympia-Premiere die erst 23-Jährige nicht hinwegtrösten. Sie sagte: „Mir war es schon wichtig, noch die Bronzemedaille zu erkämpfen.“ Der Kampf war hin und her gewogt. In der Verlängerung gewann van Dijke mit einem Hüftwurf. Scoccimaro: „Ich kann den Kampf, um ehrlich zu sein, schwer einschätzen. Ich hatte das Gefühl, dass ich alles gegeben habe und einfach nicht vorangekommen bin. Und das enttäuscht mich umso mehr.“

Ein starker Auftritt

International ist die Niederländerin schon etwas erfahrener, die Lessienerin hatte am Ende bei ihrer Olympia-Premiere, mit der sie vor drei Jahren noch gar nicht kalkuliert hatte, drei Kämpfe gewonnen, nur gegen zwei höher eingeschätzte Athletinnen verloren. Es war ein starker Auftritt gewesen. Das macht es aber nicht leichter. Scoccimarro: „Ich werde wahrscheinlich etwas Abstand von der Sache brauchen, um es aus einem anderen Blickwinkel sehen zu können.“

Trost gab es reichlich. Natürlich aus der Heimat, von den Eltern, die ihr gleich eine Nachricht schickten, aber auch von vielen Freunden und Judoka. Auf Instagram veröffentlichte sie etliche der Grußbotschaften und bedankte sich dafür und meinte: „Ich war sehr dankbar für die ganze positive Resonanz – auch wenn ich das vielleicht nicht zu hundert Prozent zeigen kann.“

Zu Hause wird sie aufgebaut

Spätestens zu Hause wird die sympathische Sportlerin auf jeden Fall so richtig aufgebaut werden. Sie fährt fast an jedem Wochenende heim von Wohn- und Heimatort Hannover gen Lessien. Zur Familie – „meinen größten Fans“. Und ab und an geht sie auch mit ihren Brüdern, die selbst mal in der 2. und 1. Liga gekämpft haben, im Training beim MTV Vorsfelde auf die Matte. Und Luigi und Federico kennen ihre Schwester aus dem effeff, sehen sie noch längst nicht am Ende ihrer Entwicklung. Federico, ein Schwergewichtler, gibt zu: „Natürlich fordern wir sie im Training. Giovanna, eine Mittelgewichtlerin, ist inzwischen kaum noch aus dem Gleichgewicht zu kriegen. Ich habe inzwischen den Verdacht, manchmal lässt sie sich werfen, damit wir ein Erfolgserlebnis haben.“ Grund zu Enttäuschung gebe es für die Schwester nicht. „Wir sind stolz auf sie.“ Aber er weiß auch: „Natürlich ärgert sie sich.“

Das Judo-Turnier ist noch nicht vorüber. Im Mixed-Team-Wettbewerb am Samstag (ab 4 Uhr deutscher Zeit) könnte Deutschland eine Medaille holen. Je drei Frauen und drei Männer bilden ein Team, als einzige Deutsche der 70-Kilo Klasse wird Scoccimarro auf jeden Fall dabei sein – und ist heiß. „Ich werde mein Bestes geben“, das ist ihr Credo. Sie wird es wieder geben, wie im Einzel. Doch das hängt noch nach. Scoccimarro: „Wenn wir im Mixed eine Medaille holen, werde ich mich definitiv freuen, ein Trost wäre es aber nicht.“

Jürgen Braun, Wolfsburger Allgemeine, 29.07.2021