Scoccimarro: Premiere in der Wüste

Vorsfeldes Judo-Ass gewinnt erstmals ein Grand-Slam-Turnier – gegen eine Japanerin.

Beide Daumen nach oben: Vorsfeldes Judo-Ass Giovanna Scoccimarro hat in Abu Dhabi erstmals in ihrer Karriere ein Grand-Slam-Turnier gewonnen.  Emanuele die Feliciantonino IJF.org/oh

Vorsfelde Das war ein bärenstarker Re-Start nach dreimonatiger Olympia-Verschnaufpause! In Abu Dhabi ging’s für Giovanna Scoccimarro (bis 70 Kilogramm) erstmals seit den Spielen in Tokio (Fünfte im Einzel , Bronze mit dem Team ) wieder auf die Judo-Matte. Praxis sammeln, wieder Reinkommen war ihr Ziel. Doch für das Judo-Ass des MTV Vorsfelde lief’s perfekt: Sie holte sich in der Wüste erstmals den Sieg bei einem Grand Slam. An gleicher Stelle hatte sie 2018 erstmals bei einem Grand Slam auf dem Treppchen gestanden. Und nun beendete sie zugleich ihren „Japan-Fluch“…

Denn seit Juli 2015 hat die Kämpferin aus Ehra-Lessien im Kreis Gifhorn nicht mehr gegen eine Japanerin gewinnen können. Im Viertelfinale des European Cups in Breslau (Polen) glückte der damals 17-Jährigen ein Sieg gegen Yui Samata. Das war noch in der U21. Danach verlor sie alle acht Duelle gegen Athletinnen aus dem Mutterland des Judo. Fünf davon gegen Chizuru Arai, die sich in Tokio auch die Goldmedaille schnappte.

Dieser „Fluch“ endete in der Wüste: Doch eins nach dem anderen… Es war keine leichte Geburt. Nach einem Freilos fand die 24-Jährige schwer ins Turnier, Auftaktgegnerin Ida Eriksson warf alles rein. So ging es gleich in den Golden Score, in dem sich die Schwedin nach insgesamt 7:26 Minuten ihre dritte Verwarnung (Shido) abholte. „Sie hat mir schon schwer zu schaffen gemacht. Ich bin nicht einfach in den Wettkampf reingerutscht“, sagte Scoccimarro.

Im Halbfinale wartete die Engländerin Kelly Petersen Pollard, wieder war nach vier Minuten keine Entscheidung gefallen, erneut ging’s in die Verlängerung. Doch hier benötigte das Vorsfelder Judo-Ass gerade einmal 16 Sekunden, um die entscheidende Wertung (Waza-Ari) einzufahren.

Im Finale wartete dann die Japanerin Shiho Tanaka. Kurios: In der Weltrangliste taucht die 23-Jährige gar nicht auf. Allerdings hat Japan Top-Kämpferinnen in Hülle und Fülle. Sie war 2019 Dritte beim Grand Slam in Ekaterinburg, gewann im gleichen Jahr die Sommer Universiade in Neapel – und tauchte dann ab. Bis Abu Dhabi, wo sie die australische Olympia-Teilnehmerin Aiofe Coughlan und Ex-Weltmeisterin Marie Gahie aus Frankreich aus ihrem dem Weg räumte. Das zeigt die unfassbare Bandbreite an Top-Judoka, auf die Japan zurückgreifen kann.

Das Finale in der Wüste war ein spannendes, das wieder in den Golden Score ging. Dort holte sich Scoccimarro bald ihren zweiten Shido ab, musste nun aufpassen, denn mit der dritten Verwarnung wäre die Niederlage besiegelt gewesen. Dann gelang ihr endlich der entscheidende Waza-Ari. Der Kampfrichter schickte die Finalistinnen noch einmal kurz in den Kampf zurück, erst dann gab er die Wertung. Scoccimarro huschte ein Lächeln übers Gesicht, für die Fotografen gingen beide Daumen nach oben, ehe sie ihrem Coach in die Arme fiel.

„Das erste Gold ist immer etwas ganz Besonderes“, sagt die frühere U21-Weltmeisterin. „Es war gut, dass ich in jedem Kampf den Fokus halten und gegen die Japanerin gewinnen konnte. Ich denke, das war ein guter Abschluss der Saison.“ So gut und wichtig der Sieg in Abu Dhabi fürs Gefühl ist: Viele Nationen haben ihre Nachwuchshoffnungen geschickt. Denn ernst wird es erst ab Mai. Von da an geht’s bei den Turnieren der Weltserie wieder um Punkte für die Olympischen Spiele 2024 in Paris.

Von Daniel Hotop

Wolfsburger Nachrichten, Seite 30, Montag 29.11.2021