Darum steigt Scoccimarro in der Wüste in den Schwitzanzug

Wieder in Doha am Start: Giovanna Scoccimarro gewann an gleicher Stelle 2021 beim Masters Bronze, ihre Gegnerin hatte damals schon Werbung für die gerade laufende WM auf dem Rücken. Doch bevor es auf die Matte geht, wartet auf die Lessienerin noch der Schwitzanzug (l. Bild vorm Wettkampf in Georgien).

Es geht um WM-Medaillen, es geht um Punkte für die Olympia-Quali: Dafür wird Giovanna Scoccimarro vom MTV Vorsfelde bereits im Vorfeld schwitzen. Die Lessienerin startet am Donnerstag bei der Judo-WM – und die hat auch eine politische Dimension erreicht.

Doha. Das Thermometer kratzt in Doha in dieser Woche an der 40-Grad-Marke. Giovanna Scoccimarro hat am Dienstag trotzdem den Schwitzanzug an. Im Wüstenstaat Katar wird das Judo-Ass des MTV Vorsfelde so die letzten Kilos los, um im Limit ihrer Gewichtsklasse (bis 70 Kilogramm) zu bleiben. Am Mittwoch geht es auf die Waage, am Donnerstag will die Lessienerin bei der Judo-Weltmeisterschaft dann etwas erreichen, was ihr noch nie gelungen ist.

Feinschliff vor Ort

Am vergangenen Samstag ging es mit dem Flieger nach Doha. Vor Ort steht in diesen Tagen der letzte Feinschliff an. Und: „Drei Kilo müssen runter“, berichtet Scoccimarro. Das ist vor Wettkämpfen nicht ungewöhnlich für die Olympia-Fünfte, die mit dem Mixed-Team in Tokio 2021 sogar Bronze gewann. Etwas Gewicht verliere sie durch gesünderes Essen, für den Rest geht’s in den Spezialanzug. Der ist an den Ärmel- und Bein-Enden dicht. „Der Stoff ist ledermäßig, da kommt keine Luft rein.“ Wenn man dann anfange, sich zu bewegen, „hat das einen Effekt wie eine Sauna am Körper und du beginnst richtig krass zu schwitzen. Ich nutze ihn meist einen Tag vor der Waage“, erklärt die Vorsfelderin, die sich angesichts der hohen Temperaturen sicher ist: „In Doha muss ich ihn wohl nicht lange tragen, bis die Kilos purzeln.“

Erfahrung mit dem Schwitzen

Denn Doha und Schwitzanzug – da hat Scoccimarro schon Erfahrungen gesammelt: „Ich weiß noch, als wir 2021 in Katar waren. Das war im Januar – und es war nicht so warm wie jetzt. Draußen gab es ein Zelt, in dem haben wir aktiv 30 Minuten Sport gemacht, also wirklich nicht viel – und ich habe drei Kilo abgenommen. Alles nur Wasser.“

Die Hürde nehmen

Stichwort Doha 2021. Damals holte Scoccimarro beim Masters Bronze, untermauerte so ihr Olympia-Ticket für Tokio. Jetzt will sie 2024 zu den Spielen nach Paris. Eine erfolgreiche WM an gleicher Stelle kann da nur helfen. Doch dafür muss es im Wettbewerb weit gehen – und zwar zum ersten Mal. „Ich hatte bei den Frauen immer das Pech, dass ich spätestens einen Kampf vorm Viertelfinale ausgeschieden bin und ich hoffe, dass ich auch ohne Setzplatz dieses Mal diese Hürde nehmen kann“, sagt die 25-Jährige, die am Sonntag auch bei der Mixed-Team-WM zum Einsatz kommt.

Ukraine zieht Mannschaft zurück

Scoccimarro ist die Nummer 13 der Weltrangliste und bekommt es in der ersten Runde mit Ebony Drysdale Daley (95.) zu tun. Die Jamaikanerin ist auf dem erhofften Weg in die Finalrunde kaum ein echter Prüfstein. Größter Fisch im Pool C ist die Weltranglisten-Zweite Sanne von Dijke. Die Niederländerin würde aller Voraussicht nach in einem möglichen Pool-Halbfinale auf die MTV-Athletin warten. Übrigens: Mit Madina Taimazova startet eine Russin unter neutraler Flagge in Scoccimarros Vorrunde. Die Olympia-Dritte von Tokio darf nach Hintergrund-Checks teilnehmen (es sollen nur Athleten aus Russland und Belarus bei der WM dabei sein, die den russischen Angriffskrieg in der Ukraine nicht unterstützen). Die ukrainische Mannschaft hatte nach diesem Vorgehen des Judo-Weltverbandes (IJF) anschließend ihren Rückzug von den Titelkämpfen verkündet.

Das sagt der DJB

Der deutsche Judobund (DJB) hätte sich zwar eine andere Entscheidung des IJF gewünscht, verzichtete aber seinerseits auf einen Boykott. „Der DJB gibt so seinen Athleten die Chance, sich bei der WM mit der internationalen Top-Elite zu messen und eine faire Chance auf die Teilnahme an den Olympischen Spielen zu wahren“, begründete der Verband seine Entscheidung. Die politische Dimension dieser Weltmeisterschaft solle nicht auf dem Rücken der Athleten ausgetragen werden, die seit vielen Jahren auf ihren Traum von Olympia hinarbeiteten.

Training mit Special-Olympics-Startenden

Am Samstag ging es also für Scoccimarro mit dem Flieger nach Katar, zuvor hatte es in der Heimat nach dem Trainingslager in Kienbaum mit internationalen Gegnerinnen auch noch einen ganz besonderen Termin für die 25-Jährige gegeben. In einer gemeinsamen Trainingseinheit auf den Judomatten des Braunschweiger Judo Clubs bereitete sie Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Special Olympics auf die Landesspiele in Braunschweig vor, die am Dienstag starten.

Tolle Trainingseinheit: Die Athletinnen und Athleten der Special Olympics zusammen mit Giovanna Scoccimarro und Trainer Martin von den Benken.

Die Lessienerin zeigte ein paar Tricks und Kniffe. „Im Judo werden Werte wie Respekt oder Freundschaft vermittelt. Das ist auch für die Inklusion im Sport wichtig. Denn so entsteht ein Gemeinschaftsgefühl. Ich bin dankbar, dass ich dieses besondere Training erleben durfte“, so Scoccimarro hinterher. „Das gemeinsame Training mit einer Olympia-Medaillengewinnerin war definitiv der Höhepunkt in der Vorbereitung auf die Landesspiele. Die Begeisterung war deutlich zu sehen in den Gesichtern“, sagte Judo-Trainer Martin von den Benken.

Von Maik Schulze, WAZ 09.05.2023