Stark und schön! Judoka Scoccimarro zeigt sich, wie man sie selten sieht

Es geht bei den Aufnahmen für ein Fachmagazin nicht um Erotik, sondern um die Wahrnehmung von Frauen im Judo

Von Jürgen Braun

Wolfsburg. Judo-Frauen – stark und schön. In der Titelgeschichte der neuen Ausgabe des Judo-Magazins zeigen sich sieben weibliche Judokas beinahe unbekleidet. Ohne Judo-Gi, den Judo-Anzug. Um Erotik geht es dabei nicht. Sondern um Selbstbild, Selbstverständnis und die Liebe zu einem Sport, der sie, bei aller Verschiedenheit, eint. Mit dabei ist Giovanna Scoccimarro vom MTV Vorsfelde, die voraussichtliche Olympia-Kandidatin der Klasse bis 70 Kilo.

„Das Shooting war cool“

„Das Shooting war cool“, berichtet die 23-Jährige. „Ich fand die Idee von Janne und Micha für so einen Geschichte gut, den Fotografen kenne ich schon länger, in zwei eineinhalbstündigen Sitzungen haben wir die Bilder gemacht.“ Die Lessienerin schaut dabei verträumt, entspannt. Sie ist im Judo in ihrer Gewichtsklasse eine der Besten der Welt, ihre Kraft, ihre Power, ihre Muskeln – auf ihrem Schwarz-Weiß-Bild lassen sie sich eher erahnen als erkennen. Auch das eine der vielen Facetten der Judo-Frauen.

Schubladendenken passt bei ihnen nicht, über Fitness-Influencerinnen-Videos (Warum schwitzen die nicht? Warum brechen die Fingernägel nicht?) müssen die Leistungssportlerinnen manchmal schmunzeln.

Unterschiedlich und doch so ähnlich… Was ist ihr Antrieb? Das waren für Janne Ahrenhold Ansätze für die Story, die sie als sechsmonatiges Projekt angelegt hatte. „Zudem sind Frauen im Sport im Moment ein großes Thema“, sagt Ahrenhold. Und dem hat sie sich in spannenden Interviews genähert, interessante Einblicke herausgearbeitet. Die 25-Jährige studiert Medien- und Kommunikationsforschung an der Sporthochschule in Köln, arbeitet frei für das Judo-Magazin. Mit Fotograf Michael „Micha“ Neugebauer, der schon viele Sport-Aktive, darunter auch Judokas in Szene gesetzt hat, fand sie einen idealen Bildkünstler für die Geschichte.

Die Autorin ist eine gute Bekannte von Scoccimarro, kommt aus einer Hannoveraner Judo-Familie. Und die wiederum hat zu großen Teilen schon für den MTV Vorsfelde in den obersten Ligen gekämpft. Neben ihr selbst gingen auch ihre Schwester Elna und Mutter Meike mal für den MTV auf die Matte. Alle drei kommen in der Geschichte vor, genau wie Tamara Ohl, Miryam Roper und Anna-Maria Wagner, Olympia-Kandidatin der Klasse bis 78 Kilo – Aktive unterschiedlichen Alters, Gewichtsklassen und Leistungsstärke.

Sie zeigen ihre Muskeln, ihre Körper, die die Ergebnisse jahrelangen Trainings spiegeln, sprechen über das, was es ihnen gibt, aber auch über die anderen Seite. So sagt Scoccimarro, die sich gerade mit dem deutschen Team auf La Palma im Trainingslager befindet: „Mein Wohlfühlgewicht orientiere ich nicht an meinem Empfinden, sondern am Marker ,meiner’ Gewichtsklasse. Ich bezweifle, dass dieses Denken auf Dauer gesund ist und glücklich macht, doch einfach ablegen kann ich es auch nicht.“

„Unser Geist,
unsere Mentalität“

Andererseits – Judo ist für Scoccimarro Glück, ein Leben ohne diesen Sport undenkbar. Ahrenhold bringt den Kern ihres Projekts so auf den Punkt: „Auch wenn Anmut, Grazie und Ästhetik auf den Bildern im Vordergrund stehen, ist uns allen klar, dass es nicht nur unsere Körper sind, über die wir uns identifizieren. Es sind auch die Judo-Werte, unser Geist und unsere Mentalität, die wir nicht nur im Judo-Anzug, sondern auch neben der Matte ausstrahlen. Es ist ganz einfach: Wir sind Judo-Frauen. That’s us.“

Stark und schön: Giovanna Scoccimarro im Judo-Magazin.Foto: Micha Neugebauer

Wolfsburger Allgmeine, Seite 32, 14.04.2021